von Gerald Paschen
Immobilienmärkte in Zeiten der Krisen
Die internationalen Immobilienmärkte bewegen sich seit rund drei Monaten in einem schwierigen Umfeld. Viele befürchten, dass im Kontext von Ukrainekrieg, Zinswende, Inflation, Lieferengpässen und sinkendem Wirtschaftswachstum der Haus- und Wohnungsmarkt gebremst wird. Das Research-Team von KENSINGTON ordnet die Fakten und analysiert besonders die Lage in den Ländern, wo KENSINGTON mit Showrooms vertreten ist (Deutschland, Schweiz, Österreich, Spanien, Dubai).
Vorreiter USA
Keine Frage – der internationale Zinsmarkt hat Fahrt aufgenommen: Erste Akzente setzten die USA. Die amerikanische Notenbank Fed hatte schon im März 2022 ihre Leitzinsen das erste Mal wieder angehoben, um 0,25 Prozentpunkte, und Anfang Mai noch einmal um 0,5 Prozentpunkte. Der durchschnittliche Zinssatz für ein 30-jähriges Hypothekendarlehen in den USA erreichte jüngst mit 5,3 Prozent das höchste Niveau seit Juli 2009. Neueste Zahlen aus den USA für Mai 2022 deuten eine Trendwende auf dem Immobilienmarkt an. Aktuell steigen die Verkaufsangebote rasant, weil US-Verkäufer befürchten den Nachfrageboom zu verpassen. Die Neuaufnahmen in den Verkaufslisten stiegen in den letzten Wochen doppelt so schnell wie noch im letzten Jahr. Zugleich sinkt die Nachfrage. Der Druck auf die Verkäufer, geforderte Preise nach unten zu korrigieren, nimmt bereits zu. Das ist zumindest auch ein Warnsignal für die europäischen Märkte.
Zinswende und Inflation in Europa
Die Europäische Zentralbank (EZB) agiert bei der Geldpolitik noch deutlich vorsichtiger als die FED. Allerdings ist durch die EZB am 9. Juni beschlossen worden, die Anleihekäufe im Rahmen der sogenannten Asset Purchase Programme zum 1. Juli 2022 zu beenden. Zudem beabsichtigt die EZB auf ihrer nächsten Sitzung im Juli den Leitzins um 0,25 Prozent anzuheben. Ein weiterer Zinsschritt ist im September zu erwarten, sodass das Negativzinsumfeld im Euroraum am Ende des 3. Quartals verschwinden würde. Sorge macht, dass die Inflationsrate im Euroraum mit zuletzt 7,4 Prozent weit über dem Ziel der EZB von 2 Prozent liegt. Wichtigster Faktor sind die hohen Energiepreise im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg. Die EU-Kommission erwartet in ihrer Frühjahrsprognose 2022 für die europäische Wirtschaft in diesem Jahr zudem nur noch ein Wachstum von 2,7 %. Auch die Euribor (Euro Interbank Offered Rate), die durchschnittlichen Zinssätze zu denen viele europäische Banken einander Anleihen in Euro gewähren, steigt. Zumindest lag der „Euribor/12 Monate“ Ende Mai bei +0,36 %. Der Euribor ist besonders auch in Spanien ein wichtiger Bezugswert für die Hypothekenzinsen.
In der Schweiz verharrt der Leitzins noch bei Minus 0,75 Prozent. Aber die Schweizer Nationalbank dürfte nachziehen, wenn die EZB an der Zinsschraube drehen sollte. Schon jetzt verteuert sich die Finanzierung von Immobilien in der Schweiz. Die Hypothekar-Zinsen durchbrechen aktuell die Marke von 2,5 Prozent.
Kostenprobleme – die Situation beim Neubau
Wegen des Mangels an Arbeitskräften und an Materialien werden Neubauten in ganz Europa immer teurer. Befeuert werden die Preise insbesondere durch Lieferengpässe. Es fehlt beispielsweise an Stahl, Eisen, Holz, Dämmmaterial und Solarpaneelen. Aber auch die Energiepreise sind ein wichtiger Kostentreiber am Bau. Immer schärfere Klimaschutzauflagen verlangen zudem immer höhere Investitionen – hier ist besonders Deutschland ein Vorreiter.
Wegen der hohen Kosten verschieben derzeit einige Bauträger sogar ihre Projekte – oder geben diese ganz auf, weil sie Absatzschwierigkeiten mit ihren fertigen, immer teurer werdenden Produkten befürchten müssen.
Deutschland
Seit 10 Jahren geht es auf Deutschlands Immobilienmarkt kontinuierlich bergauf. Günstige Finanzierungsmöglichkeiten angesichts niedriger Zinsen haben zweifelsohne dazu beigetragen. Jetzt steigen die Zinsen für Immobiliendarlehen allerdings wieder an. Zahlten Bauherrn im September 2021 für ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung noch 0,85 Prozent, waren es Anfang Juni 2022 rund 2,8 Prozent Zinsen. Das ist im Vergleich zu den 1990er und 2000er Jahren allerdings immer noch ein recht günstiges Zinsniveau. Die leicht gestiegenen Zinsen sind bislang dann auch nicht auf die Angebotspreise von Immobilien durchgeschlagen. Viele Bauherren und Wohnungskäufer haben sich zudem noch rechtzeitig eine günstige Finanzierung gesichert.
Bislang trotzt Deutschlands Immobilienmarkt also den wirtschaftlichen Unsicherheiten. Die Kaufpreise für Wohnraum und die Mieten steigen sogar weiter. Die Nachfrage bleibt hoch. Baulandpreise erhöhen sich deutschlandweit sogar zweistellig. 2021 waren es laut der Zeitschrift Capital 14 Prozent.
Tatsächlich verknappt sich wegen der hohen Baukosten das Angebot weiter. Schon 2020 konnten in Deutschland die eigentlich benötigten Wohnungen nicht erreichtet werden. Zugleich gibt es auf der Nachfrageseite eine hohe Liquidität bei einer guten Beschäftigungslage und großen Vermögen. Auch mit einer Verringerung der Bevölkerungszahl ist in Deutschland derzeit nicht zu rechnen. Unter diesen Voraussetzungen deutet dann auch wenig darauf hin, dass die Mieten stabil bleiben oder gar sinken. Laut den Experten der BayernLB verlangsamt sich aber der Preisanstieg: Erhöhten sich Deutschlands Immobilienpreise 2021 noch um 10 Prozent, wird für 2022 nur noch ein Plus von 4 Prozent erwartet. Fazit: In Deutschland ist kein Absturz auf dem Wohnimmobilienmarkt in Sicht. Es ist momentan zudem kein Trend erkennbar, dass es zu mehr Immobilienverkäufen kommt, weil Eigentümer denken, dass ein Preis-Peak erreicht ist.
Schweiz
In der Schweiz geht die hohe Lebensqualität mit hohen Preisen für Wohnraum einher. Der Boden ist knapp und das Angebot an bezahlbaren Einfamilienhäusern und Wohnungen sehr beschränkt. Zwischen dem 1. Quartal 2017 und dem 1. Quartal 2022 sind die Quadratmeterpreise für Wohneigentum schweizweit um etwa 6 Prozent gestiegen. Der Nachfrage übersteigt weiterhin oft das Angebot. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für ein Haus lag in den letzten 12 Monaten bei 6.088 CHF. Verglichen mit den 12 Monaten davor ist das ein Plus von 3 Prozent. Für Eigentumswohnungen sind durchschnittlich 6.467 CHF pro Quadratmeter zu zahlen (-1 % gegenüber den 12 Monaten zuvor). Allerdings gibt es große Unterschiede bei den Preisen. Im kantonalen Vergleich sind Häuser in den Kantonen Zug (CHF 12.567/m2) und Genf (CHF 11.937/m2) besonders teuer. Während in den Kantonen Glarus und Jura der Quadratmeter für ein Haus durchschnittlich unter 4.000 CHF liegt. Teuerste Stadt ist Zürich mit Hauspreisen von 13.462 CHF/m2.
Fazit: Hohe Lebensqualität, die auch bei Ausländern sehr begehrt ist, und hohe Preise sind die Markenzeichen der Schweiz. Der Immobilienmarkt zeigt sich weiter sehr stabil mit allenfalls moderaten Preissteigerungen
Österreich
Die Alpenrepublik präsentiert sich als boomender Markt, wobei besonders die Corona-Krise eine Flucht in Immobilien ausgelöst hat. Seit dem 4. Quartal 2020 legten die Preise für Wohnimmobilien zweistellig zu. In Wien stiegen die Wohnimmobilienpreise im 4. Quartal 2021 um 11,3 Prozent, während sie sich außerhalb der Hauptstadt um 13,9 Prozent erhöhten. In 2021 waren Häuser auf dem Land ganz besonders gefragt. Die höchsten Immobilienpreise finden sich in Wien, Innsbruck, Salzburg, Kitzbühel, dem Vorarlberg sowie in Zell am See. Auch 2022 dürften die Preissteigerungen landesweit noch an der 10-Prozent-Marke kratzen.
Fazit: Eine echte Trendwende ist in Österreich noch nicht abzusehen. Allerdings dürften Entscheidungen der EZB für deutlich höhere Zinsen zumindest dem Markt im unteren und mittleren Preissegment bremsen – auch wenn eine solche Entwicklung wohl erst mittelfristig zu erwarten ist.
Spanien
In Spanien ist davon auszugehen, dass besonders das mittlere und untere Segment des Erstwohnsitzmarktes jetzt im Zuge einer schwächelnden Wirtschaft unter Druck gerät. Es ist mit einem geringeren Zustrom von Migranten zu rechnen, wodurch die Nachfrage sinkt. Auch in den Familien steht angesichts der Inflation nicht mehr soviel Geld zur Verfügung. Zumal sich gleichzeitig die Finanzierungskonditionen in Spanien verschlechtern.
Allerdings wird diese nationale Schwäche im hohen Maße durch Investitionen von Ausländern kompensiert. Das gilt insbesondere für die gefragten Ferienregionen (Balearen,
Costa Blanca, Costa del Sol, Kanaren) und das Hochpreissegment in den Metropolen wie Madrid oder Barcelona sowie dem baskischen San Sebastián. Fazit: Luxusimmobilien in erstklassigen Ferienregionen und den Metropolen bleiben begehrte Objekte.
Dubai
Der Immobilienmarkt von Dubai ist im ersten Quartal 2022 richtig durchgestartet. Um stolze 78.5 Prozent ist die Zahl der Verkauf-Transaktionen zwischen Januar und März im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2021 gestiegen. Zudem ist jetzt allerdings der Wert dieser Immobilienverkäufe deutlich gewachsen die erreichte Summe von 55,7 Mrd. AED (13,9 Mrd. €) im 1. Quartal bedeutet ein Plus von 126,5 % im Jahresvergleich. Besonders stark war der Anstieg des Wertes im Grundstücksverkauf mit + 172,4 %. Aber auch bei Apartments (+ 76,6 %), Villen (+56,1 %) und Gewerbeimmobilien (+ 48, 3 %) ist mehr Geld geflossen. Der Durchschnittspreis aller Immobilien erhöhte sich von 1.242.000 AED (310.500 €) in 2021 auf 1.536.000 AED (384.000 €) in 2022. Fazit: Das Emirat am Persischen Golf ist dabei seine Position als sicherer Hafen für internationales Kapital auszubauen, wodurch Dubai zum Profiteur der Krise im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg wird.